Begriff „Abkömm­linge” im Tes­ta­ment

Wenn Ehe­gatten ein gemein­sames Tes­ta­ment ver­fassen, bedenken sie sich i. d. R. zunächst einmal gegen­seitig. Nach dem Tod des Letzt­ver­ster­benden sollen dann häufig die Kinder erben, manchmal auch die Enkel – oder eine ganz andere Person oder Ein­rich­tung.

Dies alles kann man in einem Tes­ta­ment fest­legen. Tut man es nicht, so gilt die gesetz­liche Erb­folge, also die Rechts­lage nach dem Bür­ger­li­chen Gesetz­buch (BGB). Wenn man aber ein Tes­ta­ment ver­fasst, sollte es ein­deutig sein. Denn nach der Pra­xis­er­fah­rung gibt es mit der Aus­le­gung von Tes­ta­menten immer wieder Schwie­rig­keiten. So z. B. bei dem häufig gebrauchten Begriff „Abkömm­linge”.

In einem vom Ober­lan­des­ge­richt Olden­burg am 11.9.2019 ent­schie­denen Fall hatten sich die Ehe­leute in einem nota­ri­ellen Tes­ta­ment gegen­seitig zu Allein­erben ein­ge­setzt. Erben des Letzt­ver­ster­benden sollten „unsere gemein­schaft­li­chen Abkömm­linge zu glei­chen Anteilen” sein. Der Über­le­bende sollte aller­dings auch die Erb­folge „unter den gemein­schaft­li­chen Abkömm­lingen abän­dern” können. Tat­säch­lich setzte die ihren Ehe­mann über­le­bende Ehe­frau in einem zweiten Tes­ta­ment ihre eine Tochter und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die andere Tochter hielt dies für nicht mög­lich. Denn die Ehe­leute hätten ver­fügt, nur die „gemein­schaft­li­chen Abkömm­linge” könnten als Erben ein­ge­setzt werden. Unter „gemein­schaft­liche Abkömm­linge” seien aber nur die gemein­samen Kinder zu ver­stehen. Eine Erb­ein­set­zung des Enkel­sohns sei daher nicht mög­lich und unwirksam. Erben seien – nach dem ersten, gemein­samen Tes­ta­ment – daher wei­terhin alle Kinder der Ehe­leute.

Das Wort „Abkömm­linge” ist nicht allein auf Kinder beschränkt. „Abkömm­linge” heißt auch Enkel, Urenkel usw. Wären nur die Kinder gemeint gewesen, hätten die Ehe­leute auch den Begriff „Kinder” gewählt. Es ist auch plau­sibel, dass die Ehe­leute alle ihre zum Zeit­punkt des Erb­falls lebenden Abkömm­linge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleich­be­han­deln wollten. Die Erb­ein­set­zung des Sohnes bzw. Enkels war somit gültig.