Alt­ge­sellen dürfen väter­li­chen Hand­werks­be­trieb über­nehmen

In der Hand­werks­ord­nung (HwO) ist unter anderem Fol­gendes gere­gelt: Eine Aus­übungs­be­rech­ti­gung für zulas­sungs­pflich­tige Hand­werke erhält, wer in diesem Hand­werk, in einem ver­wandten zulas­sungs­pflich­tigen Hand­werk oder in einem dem zu betrei­benden zulas­sungs­pflich­tigen Hand­werk ent­spre­chenden Beruf eine Tätig­keit von ins­ge­samt 6 Jahren aus­geübt hat, davon ins­ge­samt 4 Jahre in lei­tender Stel­lung.

Eine lei­tende Stel­lung ist dann anzu­nehmen, wenn dem Gesellen eigen­ver­ant­wort­liche Ent­schei­dungs­be­fug­nisse in einem Betrieb oder in einem wesent­li­chen Betriebs­teil über­tragen worden sind. Der Nach­weis hier­über kann durch Arbeits­zeug­nisse, Stel­len­be­schrei­bungen oder in anderer Weise erbracht werden.

Die HwO legt damit klar fest, unter wel­chen Vor­aus­set­zungen eine Aus­übungs­be­rech­ti­gung ohne Meis­ter­titel mög­lich ist. Ent­schei­dend sind die Dauer der Berufs­er­fah­rung und eine tat­säch­lich gelebte Lei­tungs­ver­ant­wor­tung. Vor diesem recht­li­chen Hin­ter­grund hatte das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Rhein­land-Pfalz über zwei selbst­stän­dige, aber inhalt­lich sehr ähn­liche Fälle zu ent­scheiden. Die Söhne der Fir­men­in­haber arbei­teten jeweils seit 2004 in den väter­li­chen Fami­li­en­be­trieben, einem Maler- und Lackie­rer­be­trieb sowie einem Stein­metz- und Stein­bild­hau­er­be­trieb, als Gesellen. Nach einigen Jahren über­nahmen sie in enger Zusam­men­ar­beit mit ihren Vätern auch die Auf­gaben eines lei­tenden Ange­stellten. Die Hand­werks­kammer lehnte den­noch die Ertei­lung von Aus­übungs­be­rech­ti­gungen für die zulas­sungs­pflich­tigen Hand­werke ab.

Zu Unrecht, ent­schied das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Rhein­land-Pfalz. Die Söhne hätten die Vor­aus­set­zungen für eine Aus­übungs­be­rech­ti­gung nach der HwO erfüllt. Ins­be­son­dere hätten diese Alt­ge­sellen in ihrem Hand­werk bereits mehr als 20 Jahre gear­beitet und davon deut­lich mehr als 4 Jahre in lei­tender Stel­lung mit eigen­ver­ant­wort­li­chen Ent­schei­dungs­be­fug­nissen.

Die HwO ent­hält keine Vor­gaben zur Betriebs­größe oder zur Betriebs­form. Die für eine Aus­übungs­be­rech­ti­gung erfor­der­liche lei­tende Berufs­er­fah­rung kann daher auch in Klein- und Kleinst­be­trieben erworben werden.