Ver­zin­sung von jähr­lich 6 % für Steu­er­nach­for­de­rungen und ‑erstat­tungen ab 2014 ver­fas­sungs­widrig

Die Ver­zin­sung in Höhe von 0,5 % im Monat ins­be­son­dere für Steu­er­nach­for­de­rungen wurde schon seit län­gerer Zeit von der Fach­welt als nicht mehr rea­lis­tisch ange­sehen. Dem gerecht zu werden gab es dafür auch schon meh­rere Anläufe bei ver­schie­denen Gerichten wie dem Bun­des­fi­nanzhof und auch dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG).

In seinen Ent­schei­dungen vom 25.4.2018 und 3.9.2018 zwei­felte der BFH bereits an der Recht­mä­ßig­keit der aktu­ellen Voll­ver­zin­sung und gab im Rahmen der sum­ma­ri­schen Prü­fung im Aus­set­zungs­ver­fahren den Steu­er­pflich­tigen für Ver­zin­sungs­zeit­räume ab 1.4.2015 bzw. 1.11.2012 Recht. Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­rium ord­nete mit Schreiben vom 2.5.2019 an, sämt­liche Zins­be­scheide, denen ein Zins­satz von 0,5 % pro Monat zugrunde liegt, vor­läufig ergehen zu lassen.

Nun­mehr hat das BVerfG mit Beschluss vom 8.7.2021 ent­schieden, dass die Ver­zin­sung von Steu­er­nach­for­de­rungen und Steu­er­erstat­tungen ver­fas­sungs­widrig ist. Dies gilt jedoch nur, soweit der Zins­be­rech­nung für Ver­zin­sungs­zeit­räume ab dem 1.1.2014 ein Zins­satz von monat­lich 0,5 % (jähr­lich 6 %) zugrunde gelegt wird. Nach seiner Auf­fas­sung stellt die Steu­er­nach­for­de­rung mit dieser Ver­zin­sung nach Ablauf einer zins­freien Karenz­zeit von grund­sätz­lich 15 Monaten eine Ungleich­be­hand­lung von Steu­er­schuld­nern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenz­zeit fest­ge­setzt wird, gegen­über Steu­er­schuld­nern, deren Steuer bereits inner­halb der Karenz­zeit end­gültig fest­ge­setzt wird, dar. Diese Ungleich­be­hand­lung erweist sich für in die Jahre 2010 bis 2013 fal­lende Ver­zin­sungs­zeit­räume noch als ver­fas­sungs­gemäß, für in das Jahr 2014 fal­lende Ver­zin­sungs­zeit­räume dagegen als ver­fas­sungs­widrig. Eine Ver­zin­sung mit einem nied­ri­geren Steu­er­satz würde nach Auf­fas­sung des BVerfG ein min­des­tens gleich geeig­netes Mittel zur För­de­rung des Geset­zes­zwecks dar­stellen.

Bitte beachten Sie! Die Unver­ein­bar­keit mit dem Grund­ge­setz umfasst ebenso die „Erstat­tungs­zinsen“ zugunsten der Steu­er­pflich­tigen. Das BVerfG lässt das bis­he­rige Recht für bis ein­schließ­lich in das Jahr 2018 fal­lende Ver­zin­sungs­zeit­räume anwenden. Für Ver­zin­sungs­zeit­räume ab 1.1.2019 ist der Gesetz­geber ver­pflichtet, bis zum 31.7.2022 eine ver­fas­sungs­ge­mäße Neu­re­ge­lung zu treffen.

Der Gesetz­geber muss also nur für Ver­zin­sungs­zeit­räume, die in das Jahr 2019 und später fallen, bis zum 31.7.2022 eine ver­fas­sungs­kon­forme Neu­re­ge­lung schaffen. For­mell und mate­riell bestands­kräf­tige Zins­be­scheide – ohne Vor­läu­fig­keits­ver­merk – können nicht mehr geän­dert werden. Bereits ergan­gene und nicht bestands­kräf­tige Bescheide für Verzins­ungszeiträume ab 1.1.2019 sollten bei Zinsen für Steu­er­nach­for­de­rungen mit Ein­spruch offen­ge­halten werden, sofern sie nicht bereits mit einem Vor­läu­fig­keits­ver­merk ver­sehen wurden.