Alle Artikel in: Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht

Vergütungs­ansprüche nach Verlegung eines Hochzeitstermins aufgrund der Corona-Pandemie

Mittlerweile ist die Corona-Pandemie überstanden und nun haben sich die Gerichte u. a. mit Vergütungsansprüchen auseinanderzusetzen, die z. B. bei Absagen von Veranstaltungen evtl. entstanden sind. In einem vom Bundesgerichtshof am 27.4.2023 entschiedenen Fall plante ein Brautpaar seine kirchliche Hochzeit am 1.8.2020 mit 104 Gästen. Aufgrund von Corona-bedingten Beschränkungen war die Durchführung der geplanten Hochzeit nicht möglich und das Paar plante eine neue Feier für den 31.7.2021. Es informierte den Fotografen per E-Mail vom 15.6.2020, dass sie denselben Fotografen beauftragen wollten, der am 1.8.2020 nicht verfügbar gewesen war. Der Fotograf forderte daraufhin ein zusätzliches Honorar von ca. 550 €, was das Paar ablehnte. Es erklärte den „Rücktritt von dem vorstehend bezeichneten Vertrag bzw. dessen Kündigung“, da die Geschäftsgrundlage gestört war und verlangte die Rückzahlung des bereits gezahlten Betrags von etwa 1.230 € sowie zusätzliche ca. 310 € für außergerichtliche Kosten und die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 551,45 € an den Fotografen zu zahlen. Die BGH-Richter entschieden, dass das Brautpaar keinen Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung hat und auch den weiteren Betrag schuldet. …

Kein Verbraucherbauvertrag bei Vergabe einzelner Gewerke

Ein Verbraucherbauvertrag setzt voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Bei einem solchen Vertrag muss der Unternehmer dem Verbraucher eine Baubeschreibung zur Verfügung stellen, die mindestens Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte enthält. Der Vertrag bedarf zwingend der Schriftform und es gilt ein Widerrufsrecht von 14 Tagen ab Vertragsabschluss, außer der Vertrag wurde notariell beurkundet. Verlangt der Unternehmer Abschlagszahlungen, darf der Gesamtbetrag der Abschlagszahlungen 90 % der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich der Vergütung für Nachtragsleistungen nicht übersteigen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs v. 16.3.2023 reicht es jedoch für einen Verbraucherbauvertrag nicht aus, wenn der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Gebäudeneubaus übernimmt.

Fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug

In einem vom Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) am 27.1.2023 entschiedenen Fall hatte sich eine Raumpflegerin zu Beginn ihrer Arbeitszeit ordnungsgemäß beim Betrieb eingestempelt. Kurz darauf verließ sie den Betrieb, um in einem nahegelegenen Lokal einen Kaffee zu trinken, stempelte sich bei der elektronischen Zeit­erfassung aber nicht aus. Der Chef beobachtete dieses und sprach sie später auf ihr Verhalten an. Zunächst leugnete die Frau dies und gab ihr Fehl­verhalten erst zu, als der Chef ihr Beweisfotos auf seinem Handy anbot. Dieser kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche …

Abfindungskürzung für baldige Rentner erlaubt

In einem Fall aus der Praxis vereinbarte ein Unternehmen mit dem Betriebsrat aufgrund eines größeren Personalabbaus einen Sozialplan. Dieser sah vor, dass die betroffenen Arbeitnehmer zum Ausgleich des Arbeitsplatzverlustes eine Brutto-Abfindung erhalten. Die Abfindungshöhe berechnete sich aus der Betriebszugehörigkeit und dem Bruttoverdienst. Arbeitnehmer, die allerdings das 62. Lebensjahr vollendet hatten, sollten nach dem Plan nur 25 % der Standardabfindung erhalten. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg kam zu der Entscheidung, dass eine Abfindungsregelung in einem Sozialplan, die für die Arbeitnehmer, die vor Stichtag das 62. Lebensjahr vollendet haben und die nach dem 24-monatigen Bezug von Arbeitslosengeld I entweder eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen oder die Regelaltersrente in Anspruch nehmen können, eine Kürzung der Standardabfindung auf ¼ vorsieht, eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters darstellt. Die Betriebsparteien haben dabei die Höhe der den betroffenen Arbeitnehmern konkret zustehende Altersrente nicht zu berücksichtigen. Ein Sozialplan muss die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer nicht notwendigerweise möglichst vollständig ausgleichen und alle denkbaren Nachteile entschädigen. Anmerkung: Gegen diese Entscheidung wurde am 19.1.2023 beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt.

Anspruch auf Betreuungsplatz

Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Dieser Anspruch auf frühkindliche Förderung ist keinem Kapazitätsvorbehalt unterworfen. Entsprechend ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, zu gewährleisten, dass ein dem Bedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werdendes Angebot an Fördermöglichkeiten in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vorgehalten wird. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes stellte in seinem Beschluss v. 22.3.2023 klar, dass der Anspruch unbedingt ausgestaltet ist, unabhängig von der Frage, ob die Eltern auch selbst zur Betreuung des anspruchsberechtigten Kindes in der Lage wären.

Begriff der „Ausführungsart“ in Schönheitsreparaturklauseln

Eine Formularklausel, wonach der Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen „Ausführungsart“ abweichen darf, verstößt gegen das Klarheitsgebot, weil der Begriff der „Ausführungsart“ mehrdeutig ist. Er kann sich auf die Grundausstattung, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides beziehen. Dies gilt auch dann, wenn das Zustimmungserfordernis nur für erhebliche Abweichungen gelten soll. Die teilweise Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel hat zur Folge, dass damit die gesamte Klausel unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt. Für die Geschäftsraummiete gilt nichts anderes. Der Mieter von Geschäftsraum ist in noch stärkerem Maße als der Wohnraummieter darauf angewiesen, dass er die Räume nach seinen Bedürfnissen gestalten kann, weil die Ausgestaltung der Räume oft Teil des Geschäftskonzepts ist.

Makler – keine wirksame Vereinbarung von Reservierungs­gebühren in AGBs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20.4.2023 entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist. In dem entschiedenen Fall beabsichtigte ein Interessent den Kauf eines von einer Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Es wurde ein Maklervertrag geschlossen und im Nachgang dazu ein Reservierungsvertrag, mit dem sich die Maklerin verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für den Interessenten vorzuhalten. Dieser nahm jedoch vom Kauf Abstand und verlangte die Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Der BGH verurteilte die Maklerin zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Bei einem Reservierungsvertrag handelt es sich nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen. Die BGH-Richter führten aus, dass der Reservierungsvertrag die Maklerkunden unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens …

Erbfall bei Unverheirateten mit gemeinsamer Immobilie

Immer mehr Paare, sowohl junge als auch ältere, entscheiden sich heutzutage dazu, ohne Trauschein zusammenzuleben und gemeinsam Wohneigentum zu erwerben, bedenken dabei aber häufig nicht, was passiert, wenn einer der Partner stirbt. Häufig haben die Partner nicht daran gedacht, für einen solchen Fall Vorkehrungen zu treffen, z. B. in Form eines Testaments. Liegt ein solches nicht vor, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Diese Regelung gilt auch dann, wenn die Wohnung gemeinsam erworben wurde. In diesem Fall erhalten die Erben den Anteil des Verstorbenen, den der überlebende Partner an diese auszahlen muss. Was zu erheblichen finanziellen Belastungen führen kann. Wenn Paare ohne Trauschein zusammenleben, haben sie gemäß dem Gesetz kein automatisches Erbrecht. Um dieses Problem zu umgehen, können sie jedoch vorsorgen, indem sie ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen und sich gegenseitig als Erben einsetzen. Damit können sie sicherstellen, dass ihr Vermögen und somit auch ihr Anteil an der gemeinsamen Immobilie im Todesfall an den Partner übergeht. Anmerkung: Eine rechtliche Beratung ist hier sicherlich ratsam.

Vorsorgebevollmächtigter nicht zur persönlichen Betreuung verpflichtet

Die Auswahl des Vorsorgebevollmächtigten obliegt allein der Entscheidung des Vollmachtgebers. Ein Bevollmächtigter kann nur dann als ungeeignet angesehen werden, wenn tragfähige Gründe dafür festgestellt werden können, dass er die Vollmacht nicht zu dessen Wohl ausüben kann oder will. Ein Vorsorgebevollmächtigter ist zu einem regelmäßigen persönlichen Kontakt zum Vollmachtgeber verpflichtet – schon um die Informationen zu erhalten, die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich sind. Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten jedoch nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet ihn aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Insbesondere ist er nicht zur Erbringung tatsächlicher Pflegeleistungen oder zur persönlichen Hilfe im Alltag verpflichtet.

Besondere Sorgfaltspflicht bei Ausfahrt von einem Parkplatz

Wer z. B. aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Nach einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts v. 14.2.2023 muss derjenige, der vom Parkplatz auf die Straße einfährt, auch dann die o. g. Sorgfaltspflichten beachten, wenn sich auf der bevorrechtigten Straße eine Fußgängerampel befindet, deren Rotlicht den Verkehr sperrt. Die Zeichengebung einer Ampel an einer Fußgängerfurt dient nur dem Schutz des dortigen Fußgängerverkehrs, nicht aber der Regelung der Verkehrsverhältnisse zur Einfahrt in die Straße.

Verwahrentgelte für Guthaben auf Girokonten

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Bank mittels Allgemeiner Geschäfts­bedingungen mit Verbrauchern vereinbaren kann, dass ihr für die Guthaben­verwahrung auf dem Girokonto von Verbrauchern Entgelte zustehen. Das OLG kam zu der Entscheidung, dass eine Bank berechtigt ist, aufgrund einer Vereinbarung mit Kunden für die Verwahrung von Guthaben auf dem Girokonto von Verbrauchern ein Entgelt zu erheben. Die Richter führten aus, dass die in Rede stehende Verwahrentgeltklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtlich nicht zu beanstanden ist. Bei der Verwahrung von Guthaben auf dem Girokonto handele es sich um eine Hauptleistungspflicht der Bank aus dem Girokontovertrag. Dies bedeutet, dass eine inhaltliche Überprüfung der Bepreisung dieser Hauptleistung durch die Gerichte nicht stattfindet. Im Übrigen war die Klausel klar und transparent formuliert und für den Verbraucher nicht überraschend. Ebenso urteilte auch das Oberlandesgericht Düsseldorf und entschied, dass sog. Negativzinsen bei Girokonten rechtmäßig sind und dem nicht entgegensteht, dass bereits Kontoführungsgebühren berechnet wurden. Anmerkung: In beiden Fällen wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Stornokosten entfallen bei absehbaren Rückreiseproblemen

Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Ein solcher Entschädigungsanspruch entfällt jedoch, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Der Bundesgerichtshof hat dazu in seinem Urteil v. 28.2.2023 klargestellt, dass die Frage, ob die Beförderung an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt ist, nicht allein danach beurteilt werden darf, ob der Reisende diesen Ort ohne Beeinträchtigungen erreichen kann. Vielmehr kann auch von Bedeutung sein, ob der Reisende davon ausgehen kann, dass die Rückreise nach Ende des Reisezeitraums ebenfalls ohne wesentliche Beeinträchtigungen möglich sein wird.

Entlastung eines GmbH-Geschäftsführers

Mit der nach dem GmbH-Gesetz zu beschließenden Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. Die Entlastung setzt voraus, dass der Geschäftsführer zuvor Rechnung über seine Geschäftsführung gelegt hat. Die Entlastung erstreckt sich zeitlich auf den Zeitraum der Periode, für die die Entlastung erklärt wird. Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert. In dem vom Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) entschiedenen Fall hatte ein GmbH-Geschäftsführer einen Wohnwagen über die Gesellschaft angeschafft und für private Zwecke genutzt. Die Anschaffung und der Ausbau wurden angeblich ohne Absprache mit den anderen Gesellschaftern getätigt. Der Geschäftsführer hatte damit, nach Auffassung der Gesellschafter, gegen seine Pflichten verstoßen und war somit haftbar gegenüber der Gesellschaft. Der Geschäftsführer argumentierte, dass die Anschaffung des Wohnwagens in Absprache mit den anderen Gesellschaftern erfolgte und er bereits von ihnen entlastet wurde, was bedeutet, dass er nicht haftbar ist. Das OLG hat in einem Urteil festgelegt, dass der Geschäftsführer für den Schaden haftet, der durch die Anschaffung des Wohnwagens zur privaten Nutzung über …

Eigentumsverhältnisse nach dem Tod eines GbR-Gesellschafters

Ein Ehepaar gründete eine GbR. In der notariellen Urkunde heißt es unter dem Punkt „Tod eines Gesellschafters“: „Stirbt ein Gesellschafter, so wächst dessen Geschäftsanteil dem verbleibenden Gesellschafter an. Beim Tode des längstlebenden Gesellschafters oder im Falle des gleichzeitigen Versterbens geht der Anteil auf den jeweiligen Erben bzw. den vom jeweiligen Gesellschafter genannten Vermächtnisnehmer über. Die Geschäftsanteile sind insoweit vererblich.“ Der Ehemann brachte nach der Gründung noch Grundbesitz ein und als Eigentümer wurde die GbR eingetragen. Als der Ehemann verstarb trug das Grundbuchamt die Ehefrau als Alleineigentümerin mit dem Vermerk „Infolge Anwachsung nach Tod des Gesellschafters“ in das Grundbuch ein. Die Tochter war jedoch der Auffassung, dass die Hälfte des Grundbesitzes in den Nachlass ihres verstorbenen Vaters fällt, sodass für diesen Anteil Erbansprüche von ihr sowie ihrer Schwester vorlägen. Das Gericht folgte dieser Meinung nicht. Die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung vollzieht sich nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages. Dies schließt das Gesellschaftsvermögen ein, zu dem hier der Grundbesitz gehörte. Im Falle der Anwachsung wird der verbleibende Gesellschafter zum Rechtsnachfolger der erlöschenden Gesellschaft und damit auch Eigentümer eines der …

Tägliche Ruhezeit und wöchentliche Ruhezeit bei Arbeitnehmern

Die tägliche Ruhezeit kommt zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht. Dies ist auch dann der Fall, wenn die nationalen Rechtsvorschriften den Arbeitnehmern eine wöchentliche Ruhezeit gewähren, die länger ist als unionsrechtlich vorgegeben. Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden, die nicht nur zusammenhängen, sondern sich auch unmittelbar an eine Arbeitsperiode anschließen müssen, aus seiner Arbeitsumgebung zurückzuziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Folglich ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten.

Kündigung wegen fehlender Corona-Impfung

Entsprechend dem Maßregelungs­verbot darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 30.3.2023 verstößt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpften medizinischen Fachangestellten zum Schutz von Patienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion nicht gegen das o. g. Maßregelungs­verbot. Es fehlt an der dafür erforderlichen Kausalität zwischen der Ausübung von Rechten durch den Arbeitnehmer und der benachteiligenden Maßnahme des Arbeitgebers. Das wesentliche Motiv für die Kündigung war nicht die Weigerung sich einer Impfung gegen SARS-CoV-2 zu unterziehen, sondern der beabsichtigte Schutz der Krankenhauspatienten und der übrigen Belegschaft vor einer Infektion durch nicht geimpftes medizinisches Fachpersonal.

Kündigung bei mehrfachem Zuspätkommen

Nicht sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung u. a. dann, wenn sie durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Eine wiederholt verspätete Arbeitsaufnahme trotz einschlägiger Abmahnungen kann geeignet sein, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen, entschieden die Richter des Landesarbeitsgerichts Köln in ihrem Urteil v. 20.10.2022. In bestimmten Fällen kann es, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen, notwendig sein, vor einer Kündigung eine zusätzliche Abmahnung auszusprechen, auch wenn bereits mehrere Abmahnungen für verschiedene Pflichtverletzungen erteilt wurden, diese jedoch gleichzeitig an den Arbeitnehmer übergeben wurden. Hinsichtlich ihrer Warnfunktion sind die Abmahnungen in diesem Fall einer einheitlichen Abmahnung, in der mehrere Pflichtverletzungen abgemahnt werden, vergleichbar.

Kein Anspruch des Nachbarn auf Sonne und Licht

Das Prinzip der Rücksichtnahme erfordert nicht, dass alle Fenster eines Hauses oder das gesamte Grundstück das ganze Jahr über optimal belichtet oder besonnt werden. Wenn Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes den Blick auf ein Nachbargrundstück ermöglichen, ist ihre Ausrichtung nicht automatisch rücksichtslos, auch wenn der Blick in einen ruhigen Bereich des Nachbargrundstücks fällt. In bebauten Gebieten ist es üblich, dass neue Gebäude zu zusätzlichen Einsichtsmöglichkeiten führen können. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies regelmäßig hinzunehmen.

Entfernung von Sichtschutzhecken

In einem vom Oberlandesgericht Zweibrücken entschiedenen Fall stand im Grenzbereich zweier Grundstücke eine sehr große Thujahecke, die einen erheblichen Sichtschutz bot. Mit ihren Ästen ragte sie deutlich auf das Nachbargrundstück hinüber. Die Grundstücks- bzw. Heckeneigentümerin ließ sämtliche Stämme der ganzen Hecke oberhalb des Bodens von einem Gartenbauunternehmen absägen. Daraufhin verlangte der Nachbar von ihr Ersatz wegen der entfernten Hecke, weil ihm die Hecke nun keinen Sichtschutz mehr bot. Die OLG-Richter entschieden, dass eine an der Grenze zwischen zwei Grundstücken stehende Hecke von der Grundstückseigentümerin ohne Zustimmung des Nachbarn entfernt werden kann, wenn sämtliche Stämme der Hecke auf dem eigenen Grundstück aus dem Boden heraustreten. Das gilt auch, wenn diese bisher als Sichtschutz zum Nachbargrundstück gedient hat.

Wohnungs­eigentümer­gemeinschaft – „Beschlusszwang“ für bauliche Veränderungen

Nach dem Wohnungs­eigentums­moderni­sierungs­gesetz bedarf jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Es ist Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall handelte es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft bestehend aus zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemeinschaftsordnung steht jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zu. Der Besitzer einer Doppelhaushälfte beabsichtigte nun den Bau eines Swimmingpools in der von ihm genutzten Hälfte des Gartens. Zwar steht hier jedem Doppelhaushälfteneigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches Sondernutzungsrecht berechtigt aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die – wie im entschiedenen Fall der Bau eines Swimmingpools – über die übliche Nutzung hinausgehen. In einem solchen Fall bedarf es grundsätzlich eines Gestattungsbeschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Schadensminderungspflicht bei Pkw-Schaden

Unter dem Gesichtspunkt der Schadens­minderungs­pflicht ist der Geschädigte gehalten, seine Abrechnung auf die Kosten einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen günstigeren und gleichwertigen Reparatur­möglichkeit zu beschränken. Um zu beurteilen, ob eine solche Instandsetzung ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden kann, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem die Entfernung zum Wohnort, der zusätzliche Zeitaufwand für den Transport, das Risiko von Schäden während des längeren Transports sowie der Aufwand, den der Geschädigte bei der Durchsetzung von Nacherfüllungsansprüchen im Rahmen der Gewährleistung bei mangelhaften Reparaturleistungen betreiben muss. In einem vom Oberlandesgericht München am 21.9.2022 entschiedenen Fall wollte der Geschädigte den Schaden an seinem Pkw „fiktiv abrechnen“. Dass er die günstigere Werkstatt nicht ohne Schwierigkeiten hätte erreichen können, konnte er nicht belegen. Infolgedessen entschied das OLG zugunsten der Versicherung, dass sie die Kosten auf der Grundlage der günstigeren Werkstatt abrechnen durfte.

Kostenermäßigung bei vorzeitiger Rückzahlung eines Kredits

Das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten seines Immobilienkredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits umfasst nicht die laufzeitunabhängigen Kosten. Der Verbraucher kann somit nur eine Ermäßigung der Zinsen und der laufzeitabhängigen Kosten verlangen. Zu dieser Entscheidung kamen die Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in ihrem Urteil v. 9.2.2023. Das Recht auf Ermäßigung zielt dem EuGH zufolge darauf ab, den Kreditvertrag an sich durch die vorzeitige Rückzahlung ändernde Umstände anzupassen. Dieses Recht umfasst jedoch nicht die Kosten, die unabhängig von der Vertragslaufzeit dem Verbraucher entweder zugunsten des Kreditgebers oder zugunsten Dritter für Leistungen auferlegt werden, die zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung bereits vollständig erbracht worden sind. Um den Verbraucher vor Missbrauch zu schützen, haben die nationalen Gerichte allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Vertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des Kapitals oder für Leistungen darstellen, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Der Kreditgeber muss dann nachweisen, ob es sich bei den betreffenden …

Haftung eines GmbH-Geschäftsführers wegen Überweisung aufgrund einer Phishing-Mail

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Was unter den „Pflichten“ im Sinne dieser Regelung im Einzelnen zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. In einem vom Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) entschiedenen Fall hatte eine GmbH-Geschäftsführerin eine Überweisung zulasten der GmbH veranlasst und damit Zahlungsaufforderungen aus sog. Phishing-E-Mails befolgt. Die korrekte Mail-Adresse des Geschäftspartners in Seoul/Südkorea lautete „sales@w…film.com“ und der unbekannt gebliebene Betrüger (Absender W.) kommunizierte in der Phishing-Mail mit der Mail-Adresse „sales@w…flim.com“. Das OLG kam zu dem Urteil, dass der Sorgfaltspflichtverstoß der Geschäftsführerin, der in der Beauftragung von Geldüberweisungen aufgrund einer (gefälschten) Mitteilung einer geänderten Kontoverbindung des Empfängers W. bestand, nicht als Verletzung einer spezifisch organschaftlichen Pflicht anzusehen ist. Denn diese Tätigkeit wäre üblicherweise eine solche der Buchhaltung gewesen. Die der Geschäftsführerin übertragene Unternehmensleitung als solche ist hiervon nicht berührt, auch nicht in Form einer Verletzung von Überwachungspflichten. Ferner besteht auch keine Haftung wegen einer Verletzung der aus dem Anstellungsvertrag als Geschäftsführerin bestehenden Dienstpflichten.